Die 6. Generation
… und vermutlich nicht die „letzte Generation“.
Dirk Wieting (NWZ) führte mit uns ein tolles Interview – das wollen wir Euch nicht vorenthalten.
Backwaren in der fünften Generation
Wie Schausteller-Kind Marcel Mantau zum sesshaften Berliner-Bäcker wurde
Für ihn ist ein Berliner mehr als nur ein Berliner: Wie Marcel Mantau seine Leidenschaft für das süße Gebäck entdeckt hat und was er an der Weststraße in Ganderkesee als Nächstes vor hat.
Leidenschaftlicher Berliner-Bäcker: Marcel Mantau
Ganderkesee – Schon als kleines Kind wusste er: „Ich will so weiterleben, wie ich groß geworden bin“ – und dieses Vorhaben hat Marcel Mantau (38) in die Tat umgesetzt. Allerdings haben er und seine Familie einen festen Wohnsitz und leben nicht, wie viele seiner Vorfahren, in einem Wohnwagen und ziehen von Stadt zu Stadt, um zu ihren Kunden zu kommen. Heute kommen die Kunden zu Marcel Mantau und seinem Team und stehen dabei oft in einer langen Schlange.
Marcel weiß wie es ist, immer an einem anderen Ort zu sein. „Ich hätte mir keine schönere Kindheit vorstellen können. Wir sind mit unseren Eltern groß geworden“, schwärmt er. Marcel ist Vertreter der mittlerweile sechsten Generation seiner Schaustellerfamilie.
Seine Taufe fand in einem Bierzelt statt, seine spätere Konfirmation in einem Ausschankwagen. Seine Freunde waren seine drei Cousins, deren Eltern ebenfalls Schausteller waren. „Wir waren eine verrückte Truppe und haben viel unternommen.“ Marcel hat viele verschiedene Schulen von innen gesehen. Immer wieder an einem anderen Ort, immer wieder in einer anderen Schule. „In manchen Schulen bin ich mit offenen Armen empfangen worden, a oft musste ich mich auch durchsetzen“, erzählt Marcel.
In den Wintermonaten wohnte Familie Mantau in ihrem Haus in der Nähe von Uelzen. Spätestens am Anfang eines Jahres fragte Marcel seine Eltern: „Wann geht es wieder los?“ Schon im Alter von vier Jahren verkaufte er Lose – nicht, weil er es musste, nein, weil Marcel es wollte. Mit zunehmendem Alter bekam er immer mehr Verantwortung von seinen Eltern übertragen. Mit 15 Jahren hatte er seinen Schulabschluss, und es folgte eine schwierige Phase in seinem Leben. Seine Eltern hatten sich getrennt und Marcel blieb bei seinem Vater, während seine Schwester Mutter Heike folgte. Ein Jahr hatte er zu den beiden keinen Kontakt mehr. „Es war ein total verschenktes Jahr“, bedauert Marcel heute.
Die Zusammenarbeit mit seinem Vater funktionierte nicht so wie gewünscht. Marcel schloss sich seinen Großeltern an, die auf den Märkten mit einem Fischwagen vertreten waren. Marcel machte sich Gedanken über seine Zukunft: „Wo will ich hin?“ Sein Ziel war es, einmal auf eigenen Füßen zu stehen. „Alles, was ich zu der Zeit besessen habe, passte in zwei Taschen.“ Und mit diesen beiden Taschen zog er zu seiner Mutter, die in inzwischen in Hoykenkamp wohnte. Da er zwar Pläne, bisher aber nichts verdient hatte, musste er Geld verdienen. Zehn Jahre arbeitete er bei einem Delmenhorster Bäcker und sparte eisern für einen eigenen Stand. Günstig konnte er einen ausrangierten Stand erwerben, den er in seiner freien Zeit restaurierte und vergrößerte.
Anfangs arbeitete er zweigleisig. Um zwei Uhr in der Frühe begann er beim Bäcker, und nach Feierabend stand er mit seinem Stand auf Märkten in der Nähe. In seinem Stand konnten die Besucher mit einem Pfeil Luftballons treffen. Alles was Marcel verdiente, wurde eisern gespart. So musste er 2010 auch überredet werden, zum jährlichen Ball der Schausteller in Bremen zu kommen, und es sollte sich lohnen. Dort sah er zum ersten Mal seine Jermaine, die ebenfalls zur Teilnahme an diesem Ball überredet werden musste. Gleich beim ersten Anblick wusste er: „Das ist sie!“
„Am 11.11.2010 sind wir zusammengekommen.“ Nach zwei Monaten meinte Marcel: „Ich will dich, zieh zu mir nach Ganderkesee.“ Hier hatte seine Mutter ein Haus gemietet. Im März 2016 wurde geheiratet. Seine Familie mit Jermaine und den Kindern Milena (10) und Jason (6) ist Marcels ganzer Stolz. Das junge Paar war mit seiner Spielbude für Pfeilwerfen und Losverkauf auf verschiedenen Märkten und Schützenfesten unterwegs. 2012 erwarb Marcel einen Verkaufswagen, und Schmalzkuchen kamen als zweites Standbein hinzu. Die Rezepte stammten noch von seinem Großvater. „Ich habe schon immer gerne mit Teig gearbeitet“, sagt Marcel. Neben den Märkten gab es auch einen Stand hinter dem Haus der Familie an der Weststraße in Ganderkesee. Die ersten Jahre stand ihm bei den Schmalzkuchen Schwester Davina zur Seite. Dann beherrschte das Coronavirus das Geschehen, und rückblickend war es für Marcel Mantau sogar ein Gewinn. Er übernahm die Bäckerei von seiner Schwester und weitete den Verkauf an der Weststraße aus.
Der Name „Mantau Berliner“ wurde immer mehr zu einem Begriff. Der zunächst saisonale Wochenendverkauf in den Wintermonaten wurde auf das ganze Jahr ausgeweitet. Für Marcel ist ein Berliner nicht gleich ein Berliner. Die im Verkaufsstand zubereiteten Berliner gibt es in den unterschiedlichsten Variationen. Im Angebot sind ferner die beliebten Taschen mit einer Marzipan-, Apfel- oder Kirschfüllung. Dazu Viktoria, Käsekuchen, Schokofrüchte und andere Köstlichkeiten. Ende letzten Jahres konnten Marcel und Jermaine ihren neuen Backwagen eröffnen. Das nächste Ziel ist nun ein kleines Café an der Weststraße. Mit ihrem Stand mit Pfeilwerfen und auch Schmalzkuchen sind sie nur noch auf ausgesuchten Märkten in der Nähe zu finden. „Mein Hobby sind die Berliner, denn ein Berliner kann so viel mehr, als nur ein normaler Berliner zu sein“, sagt Marcel, und man sieht wie seine Augen leuchten.